Meisterwerk der 70er Jahre: Gene Clarks „No Other“

Manchmal gibt es Meisterwerke, die leider spät als solche entdeckt und gewürdigt werden. „No Other“ vom 1991 verstorbenen Byrds-Gründungsmitglied Gene Clark ist ein solch spätberufener Klassiker, dem erst weit nach seiner Erstveröffentlichung 1974 die gebührenden Ehren zuteil wurden. Aber selbst die beiden Wiederveröffentlichungen aus den Jahren 1991 und 2002 führten bis heute nicht dazu, dass diese Perle zum Kassenschlager avancierte.

Was sich nun hoffentlich ändert. Denn 45 Jahre nach der Erstfassung gibt es jetzt den vierten Album-Release von „No Other“ in unterschiedlichen Formaten (LP, CD, Limited Double CD und einem üppig ausgestatteten und liebevoll gestalteten Limited Deluxe Boxset), was dem Independentlabel 4AD zu verdanken ist. Es wäre dem feinen Werk zu wünschen, dass die sehr melodiöse Mischung aus Country, Folk und frühem Popfeeling nun endlich auch seinen endgültigen Durchbruch bei einem breiten Publikum feiern darf und noch mehr Anerkennung erntet.

Gene Clark, dem bereits 1966 mit dem Byrds-Titel „Eight Miles High“ (von Golden Earring in einer genialen Fassung auf deren gleichnamigem Album veredelt) ein Songjuwel gelang, hatte für sein Soloalbum seinerzeit die Muse intensiv geküsst und ihn mit acht großartigen Songideen beschenkt. Aus denen holte der Musiker in vielen Studiosessions das denkbar Beste heraus, nicht zuletzt mit einem überbordenden Kostenaufwand, über den Asylum-Impressario David Geffen nicht gerade erfreut war.

Aber das Ergebnis lohnte sich, wenn auch nicht in wirtschaftlicher, aber dafür in musikalischer Hinsicht. Ob lässig locker im Sattel des Ohrwurms „Life Greatest Fool“ oder im spannungsvollen Präriepanorama „Silver Raven“, nach vorne reitend mit dem rockigen Titeltrack oder episch durch den Achtminüter „Some Misunderstanding“ trabend, hier konnte man getrost auf jedes Songpferd von Cowboy Clark hohe Wetten abschließen.

Das Songwriting auf „No Other“ weist u. a. Verwandtschaften zu den besten Zeiten und Werken von Shawn Phillips (Contribution, Second Contribution, Faces) und The Strawbs (Hero and Heroine, Grave New World) auf, die ebenfalls Anfang bis Mitte der 1970er Jahre lagen. Auch die Wiederentdeckung deren Werke kann ich übrigens nur wärmstens allen empfehlen, die mal tiefer in den Reichtum dieser hoch kreativen Musikphase eintauchen wollen.

Also, vertraut mir: „No Other“ von Gene Clark gehört in jeden hochwertig gefüllten Plattenschrank von Musikliebhabern, die etwas auf sich halten und beim Gedankenaustausch über unverzichtbare Highlights aus jener glorreichen Folkrock-Zeit angemessen mitreden können wollen.

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